Orginalartikel Rhein-Neckar-Zeitung 09.01.2014 PDF

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Der Filmemacher und Videokünstler Fritz Stier dringt in seinen Arbeiten zu den Urgefühlen der Existenz vor.
Von Lisa Wieser

Menschen hängen kopfunter, drehen sich, mal zueinander gewandt, mal abseitig, s.cheinen Orientierung zu suchen, sich anzunähern, um sich dann wieder abzuwenden, und drücken in immer wiederkehrenden Bewegungen aus, was menschliche Fragen, Existenzen, aber auch Grausamkeiten sind in dem, was sie sich selbst und andern antun. Die Installationen des Filmemachers und Videokünstlers Fritz Stier sind in ihrer Thematik, Inszenierung und Umsetzung von einer Qualität, die in Bann zieht. Dabei geschieht im ersten Moment scheinbar wenig. Die Installationen sind weder schrill, laut, noch von einer anderen störenden Dominanz, und vielleicht gerade deshalb so unglaublich intensiv, dass man sich darin verlieren kann.

Zeit scheint endlos. Jede noch so kleine Bewegung wird bis ins feinste Detail festgehalten und zum Zentrum der Darstellung. Wie im Traum schärfen die zeitlupenartigen Bilder die Wahrnehmung bis zum kaum Erträglichen. Weil sie ahnen lassen, dass alle Bewegungen - ob im körperlichen Ausdruck oder geistig-seelischen Erleben - in jedem von uns verborgen sind. Fritz Stiers Arbeiten wirken seltsam statisch und ruhig. Zeit spielt in seinen Installationen keine Rolle, vielmehr entrücken die dargestellten Szenen von der Realität des Lebens. Auf der anderen Seite erinnern sie an eine gnadenlose Betriebsamkeit, der wir ausgesetzt sind, nicht entrinnen können, die aber trotzdem da ist. Fritz Stier faszinierte schon früh, was anders war. Zum Beispiel sein Onkel, der Schauspieler Peter Mosbacher, der das "schwarze Schaf" in der Familie war und ihn gerade deshalb so unigeheuer neugierig machte auf das andere, nicht Berechenbare, Starre und ßürgerliche. Auch die Musik des Großvaters regte ihn auf, ebenso die frühen Begegnungen mit der Kunst, die für ihn viel stimmiger war als das normale Leben, das er um sich herum beobachtete. Museen, rausfordert. Fritz Stier setzt Inhalte Objektkunst, Malerei, alles war in- um, die unmittelbarer nicht sein könteressant und erweckte in ihm das nen und wie in einem kollektiven Gebrennende Begehren' , sie in seinem Leben mit Intension zu verfolgen.

"Für mich hat Kunst eine große Nähe zum Urgefühl der Existenz, der Wahrnehmungen und Sinne, des Hörens,Sprechens, Fühlens, Erkennens", sagt er, der Präsente und Kraftvolle, als wir im Atelier an seinem Tisch sitzen, Kaffee trinken,während die übergroßen Videoinstallationen geräuschlos und rhythmisch die fließenden Fragmente unterschiedlichen Lebens zeigen. Drückt Kunst Wahrheit aus? "Meine Arbeiten changieren, machen vielseitige Bedeutungen sichtbar, sie schweben, drehen sich, lösen sich auf, formen sich neu und bewegen sich aufeinander zu wie ein Mann und eine Frau; alles steht in Beziehung.

Zu Fritz Stiers Werken gehören neben sich bewegenden Videoinstallationen auch unzählige Standbildprojekte. Eines davon ist "insideoutside", in dem auf raumhohen Monitoren Porträts zu sehen sind. Jedes Gesicht ist anders, zeigt Spuren und macht deutlich, dass es weitaus schöner ist als in den flüchtigen Momenten des Alltagslebens. Ein anderes Projekt ist "con torso", das beim 50. Jubiläum des BBK 2013 in Schwetzingen zu sehen war und das auf fünf Monitoren in Zeitlupe die Bewegungen einer Schlangenfrau (wie man sie aus dem Zirkus kennt) zeigt. Ebenso beeindruckend die Videoinstallation "in between", "floating cherubin", in der sich menschliche Figuren zwischen Schein und Sein bewegen, oder "Bodhi", das mit dem Thema Erwachen, Erkennen, äußere Gewalt und innere Stärke im Gedächtnis verhaftet sind. Gerade das macht seine Kunst so spannend.