Fritz Stier arbeitet seit Jahrzehnten mit dem Medium Video und hat sich mit seinen Arbeiten nicht nur überregional, sondern auch international einen Namen gemacht. Mit seinen komplexen, vielfach ausgezeichneten Arbeiten gilt er als einer der Vorreiter in Sachen Performance- und Videokunst in der Region.
Die Bilder, die er wählt sind manchmal schwer zu ertragen, denn sie konfrontieren den Betrachter mit Situationen, in denen es um Existentielles geht: Situationen denen wir im Alltag möglichst ausweichen, obwohl wir wissen, dass sie uns früher oder später doch einholen werden. Kopfüber oder kopfunter hängende Leiber führen uns unausweichlich vor, dass es kein Entkommen gibt. Die wie aus dem Nichts auftauchende Gestalten der Installation „Silent People“ fungieren zudem als Projektionsflächen und gemahnen an bereits Verdrängtes.
Das klingt grausam, ist es aber nicht. Denn Stiers Arbeiten sind von einer Ruhe und Gelassenheit, die die Kunstbetrachtung fast zur Meditation werden und den Betrachter Kraft schöpfen lässt. Sie zeichnen sich durch Präzision und Einfachheit aus und konzentrieren sich auf allgemeine menschliche Erfahrungen. Sein Mittel ist die Langsamkeit. Personen und ihre Bewegungen nimmt Fritz Stier teilweise mit einer High Speed Kamera auf, die jede Nuance einer Bewegung präzise erfasst. Für die Präsentation wird das Video in Normalzeit gezeigt. Der Effekt ist verblüffend. Erst bei genauem Hinschauen entdeckt man, dass man nicht Fotografien, sondern bewegte Bilder ansieht. Bilder, die Lebenszeit verhandeln. Fritz Stier dehnt die Zeit ebenso wie sie den Protagonisten der Filmaufnahmen lang zu werden scheint. Sei es beim Hängen an ausgetreckten Armen, beim sich in die Augen schauen oder beim Atem anhalten. Die Zeitlupe schärft die Wahrnehmung des Betrachters. Sie lässt die Qual ebenso wie die Schönheit der körperlichen und psychischen Extremstellungen nachempfinden und ermöglicht zugleich die Wahrnehmung der Eigenzeit ästhetischer Erfahrung.
Interessanterweise hat man beim Betrachten von Fritz Stiers Videoarbeiten nie das Gefühl von physischer Schwere, ganz im Gegenteil. Die menschlichen Leiber erscheinen in einem Zustand der dauerhaften Schwerelosigkeit, einer fast transzendenten Körperlosigkeit. Sie fallen niemals zu Boden, sondern senken sich in eine körperlose Umgebung hinab – endlos oder im Loop. Sie haben meist keinen Umraum außer demjenigen, in dem sich der Betrachter befindet. Die Videobilder selbst sind Oberfläche, die auf eine unsichtbare Tiefe verweist. Diese ergründen nicht nur der Künstler und die Mitwirkenden in den Filmen, sondern auch die Betrachter beim Ausstellungsrundgang. Die Videoarbeiten sind so auf die Ausstellungsräume abgestimmt, dass die Architektur Teil der Installationen wird und sich mit ihnen verschränkt. Auf diese Weise erkundet man Raum für Raum und kommt so vielleicht dem eigenen Unterbewusstsein oder auch kollektiven Weltbildern näher: Déja vu nicht ausgeschlossen.